Spirituosen und Spiritualität

Kirchliches Whisky Tasting

Unter dem Motto „Spiritualität und Spirituosen“ laden der evangelische Pfarrer von Baiersbronn-Mitteltal und sein katholischer Kollege zu ökumenischen Whisky-Abenden ein. Von Andreas Steidel

Das verruchte Getränk. Der Fusel der Seefahrer und Säufer, der Ausgestoßenen und Alkoholiker. Rum hat einen denkbar schlechten Ruf, viele kennen das Getränk nur als hochprozentigen Zusatz zu Backwaren. „Dabei ist Stroh-Rum überhaupt kein Rum, das Wort steht ja nicht mal auf der Flasche drauf.“

Dann erzählt Markus Fellmeth etwas vom Reinheitsgebot für Rum, der ausschließlich auf der Basis von Zuckerrohr hergestellt werden darf. „Im Grunde ist das etwas sehr Edles“, sagt Fellmeth.

Kenner trinken Rum ausschließlich pur.

sagt Markus Fellmeth

Ein wahrer Rum-Kenner

65 Sorten hat Markus Fellmeth zu Hause. Das alleine ist schon außergewöhnlich, doch noch außergewöhnlicher ist der Beruf des Spirituosenfachmanns: Fellmeth ist der evangelische Pfarrer von Baiersbronn-Mitteltal, ein 36 Jahre junger Mann, der gerne neue Wege geht und sich unter Menschen mischt. „Einen solchen Pfarrer“, sagt eine Frau aus der Gemeinde, „hatten wir noch nie.“

Das Interessante an Fellmeth ist, dass er sein Rum-Wissen nicht für sich behält, sondern daraus ein geistliches Konzept gemacht hat. „Spiritualität und Spirituosen“ heißt es. Entwickelt hat er es zusammen mit seinem katholischen Kollegen, dem Pastoralreferenten von Baiersbronn, Dominik Weiß. Der 42-Jährige ist ein Genießer, gehört dem Arbeitskreis Kirche und Gastronomie an, und fand mit Markus Fellmeth einen Gleichgesinnten.

Wir haben mal privat über Rum und Whisky unterhalten und hatten dann diese Idee

Markus Fellmeth und Dominik Weiß

Dominik Weiß und Markus Fellmeth prosten sich zu.
EMH
Pastoralreferent Dominik Weiß und Pfarrer Markus Fellmeth bieten spirituelle Whiskytasting-Abende an.

Ein Erfolg: Der erste Whisky-Tasting-Abend

Weiß ist Whisky-Kenner und so begannen sie im Oktober 2022 mit einem Whisky-Abend. Die Resonanz war überwältigend, „wir hatten ganz schnell eine Warteliste.“ Nun also der Rum-Abend, das Spezialgebiet von Marcus Fellmeth. Mit der Nachfrage war es da kaum anders, im Nu waren die 30 Plätze im Gemeindehaus vergeben.

Fellmeth und Weiß stehen vorne wie die Moderatoren einer Fernseh-Show. Ein ebenbürtiges Duo, zwei, die sich nicht gesucht, aber gefunden haben, und die ihrem Publikum wieder einen super Abend versprechen.

Die einen machen Yoga, die anderen beten einen Rosenkranz, wir trinken Rum

Dominik Weiß

Marcus Fellmeth ist gekleidet wie ein Oberkellner aus der Sternegastronomie. Mehrere dieser Häuser gibt es in Baiersbronn, eines der bekanntesten, das Hotel Bareiss, liegt direkt neben dem Gemeindehaus und der Kirche in Mitteltal. Gleich ein paar der Hotel-Mitarbeiter haben sich zu diesem ungewöhnlichen Tasting angemeldet. Renate Günter zum Beispiel:

Ich war neugierig und finde es toll, wenn die Kirche auf die Leute zugeht.

Teilnehmerin Renate Günter

So läuft das Whisky-Tasting ab

Zu Beginn der Veranstaltung philosophiert Dominik Weiß ein bisschen über das Wortpaar Spirituosen und Spiritualität. Beides geht auf den lateinischen Begriff „Spiritus“ zurück, der für Geist, Atem und Seele steht. Den Geist des Weines und der hochprozentigen Getränke schloss man damals mit ein, „erst später“, sagt Weiß, „hat man die sinnlich-körperlichen Freuden und die Spiritualität getrennt“.

Im Gemeindehaus in Mitteltal kommen sie nun wieder zusammen, bei jenem verruchten Getränk, das Markus Fellmeth in fünf Etappen ausschenkt. Alles ist festlich gedeckt, mit Probiergläsern, die man zur Nase führt und Mineralwasser, das der Neutralisierung dient. Dazu gibt es eine Wurst- und eine Käseplatte, frisches Brot und Oliven, schließlich braucht der Magen eine Grundlage, wenn er ein rund 40-prozentiges Getränk verdauen soll.

Drei Whisky-Gläser werden in der Hand gehalten.
unsplash+/Getty Images
Beim Whisky-Tasting probieren sich die Teilnehmenden durch die verschiedenen Sorten.

Whisky-Sorten und biblische Bezüge

Als erstes kredenzt Markus Fellmeth einen zwölf Jahre alten Rum von der Insel Barbados. Ein karibisches Destillat, das in Bourbon-Fässern gereift ist. Man muss es genießen. „Unser Leben währet siebzig Jahr und wenn’s hoch kommt, sind’s achtzig“, zitiert Fellmeth die Bibel, „also ist jeder Moment kostbar“. Zum Wohl, man hört das Publikum nun schlürfen und schwatzen, erstaunt darüber, wie gut ein edler, purer Rum doch schmecken kann.

„Jesus war einer, der auf die Ausgestoßenen zuging“, sagt Fellmeth, auf die Trinker, mit denen niemand mehr etwas zu tun haben wollte, auf die Wucherer und die Lepra-Kranken. Einen Wein hat er bekanntlich selbst gerne getrunken und wenn es sein musste, auch mal das Wasser in solchen verwandelt.

Eine diesbezügliche Maßnahme ist in Baiersbronn nicht nötig. Es ist genügend Rum von jeder Sorte da, so dass jeder der Teilnehmer ausgiebig probieren kann. Alte und junge sind gekommen, Männer und Frauen, Menschen, die der Kirche nahe stehen oder fern sind. Nach jeder Runde Rum setzen sich die Seelsorger an einen anderen Tisch und plaudern mit den Leuten. Natürlich wollen fast alle wissen, wie der Pfarrer zu diesem Hobby kam. Es wurde ihm (natürlich) nicht in die Wiege gelegt. Bis zu seinem 30. Lebensjahr hat er überhaupt keinen Alkohol getrunken: „Kein, Bier, keinen Wein, gar nichts.“

Dann, nach dem Abschluss seiner Zulassungsarbeit im Jahre 2016, wollte er sich auch mal etwas gönnen. Ein Studienkollege brachte ihn auf den Rum und er war völlig perplex, wie gut der vermeintliche Fusel schmeckt. Dazu rauchte er eine Zigarre, eine Kombination, die Fellmeth noch heute liebt.

Fellmeth und Weiß lassen keinen Zweifel daran, dass bei ihnen der Glaube tief verwurzelt ist. Wenn Markus Fellmeth von Gott spricht, kommt es von tief innen. Er tut das immer wieder an diesem Abend und die Menschen hören ihm zu. Am Ende singen alle „Vom Aufgang der Sonnen bis zu ihrem Niedergang.“ Sie trällern es wie ein fröhliches Volkslied mit gelöster Zunge.

Dominik Weiß und Markus Fellmeth sind eine ökumenische Mischung, die den Menschen anscheinend recht gut bekommt. Dass sie damit auch ein bisschen was wagen, ist ihnen klar: In kirchlichen sowie in manch anderen Kreisen wird Alkoholgenuss kritisch gesehen. Verrucht eben, aber halt doch etwas, das im richtigen Maß genossen, überaus genussvoll sein kann.

Und Genuss und Lebensfreude sind doch das, was in der Kirche oft fehlt

sagt eine Teilnehmerin des Abends